Stadttor und Westmauer
Wenige Meter nach dem Friedhof eröffnet sich dann der Blick auf die Mauern der Vorstadt von Monemvasia, jenen Teil, der heute von der Bevölkerung "to kastro" (die Burg) genannt wird.
Die Vorstadt, vielleicht sollte man heute besser Unterstadt sagen, liegt auf einem verhältnismäßig steil ansteigenden Hang, der sich an der gesamten Südseite des Steilabfalls dem Felsen vorlagert, an seiner breitesten Stelle im letzten Drittel nach Osten zu. Nach Westen, Süden und Osten hin ist die Unterstadt durch einen Mauerwall bewehrt, nach Norden hin schützte der Steilabfall des Felsens selbst den bewohnten Raum. Vom "einzigen Zugang" her war die Lage der Unterstadt nicht zu erkennen, so dass sich Beschussanlagen gegen die Unterstadt nur südlich des Felsens, beim heutigen Dorf Agia Paraskevi und bei der Kirche Agia Thekla, befanden.
Die Ursprünge eines ersten Mauerringes der Unterstadt werden heute übereinstimmend in die zweite byzantinische Periode der Stadt (1263 - 1459) und damit in die Blütezeit Monemvasias datiert. Für die Richtigkeit dieser Datierung spricht auch, dass Monemvasia zu jener Zeit die höchsten Zahlen an schutzbedürftigen Einwohnern in seiner Geschichte aufwies. Das heute sichtbare Befestigungssystem der Unterstadt stammt zum größten Teil aber wohl erst aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, also aus der Zeit der ersten Türkenherrschaft (1540 - 1690) über Monemvasia; zum Teil datieren die Mauern auch erst aus der zweiten venezianischen Besetzung von 1690 - 1715.
Zumindest die dem Besucher bei der Ankunft sichtbare westliche Schenkelmauer, die vom Steilabfall aus zum Meer hinunter verläuft, trägt ausgeprägte Züge venezianischer Befestigungskunst, die an den halbrunden Zierleisten der Mauer, der in der Südwestecke am Meer liegenden Bastion (als Turm von den Venezianern wieder aufgebaut, nachdem er bei der Einnahme 1690 zerstört worden war) und der Verblendung des Haupttores deutlich wird.
Die recht kompliziert gebaute Westmauer hat eine Länge von 200 Metern; ihre Höhe beträgt je nach Bodenbeschaffenheit zwischen 8 und 10 Metern. Sie zieht sich von einer an den Steilabfall des Felsens angebauten Bastion bis an die dem Meer zugewandte südliche Umfassungsmauer hinunter, wo sie heute in einer Bastion endet.
Die Mauer wird von zwei Toren durchbrochen, von denen sich das eine in der am Steilabfall gelegenen Bastion befindet und dem leichteren Zugang zur Oberstadt diente. Das Haupttor liegt etwa auf der Mitte des Mauerverlaufs (vgl. Bild Nr. 6). Vor diesem Tor endet die Zufahrtsstraße in einem kleinen Platz, der zumeist mit Autos so vollgestellt ist, dass er den Blick auf das schöne Stadttor heute mehr verhindert als freigibt.
Die Verblendung des Stadttores ist, ebenso wie die halbrunden Zierleisten der Mauer und die Überkragung eines kleinen, rechts über dem Stadttor befindlichen, halbrunden Turmes, aus in der Gegend gebrochenem Poros gefertigt. Gerade in diesen Details kommt das Venezianische der westlichen Mauer besonders gut zum Ausdruck, denn der sonst an der Mauer verwandte Bruch- und Feldstein ist auch von den Türken verbaut worden. Noch innerhalb der von einer mehrfach gefurchten Zierleiste begrenzten Torverblendung, oberhalb der Türöffnung, sind zwei mit erhaben gearbeiteten Halbkugeln verzierte Steinblöcke eingelassen, von denen die Halbkugel über der Türöffnung an beiden Seiten von je einem sechseckigen Stern flankiert wird. Oben rechts und wohl auch ehemals oben links, in der Ecke der Torverblendung, befindet sich ein mit einem Loch und einer Kehlung ornamentierter Stein, der im Gegensatz zur sonst waagerechten Anordnung der Blöcke senkrecht eingelassen ist. Die große Öffnung unter der Begrenzungszierleiste der Torverblendung diente ehemals der Verankerung des aus Marmor geschlagenen Markuslöwen, der das Symbol venezianischer Macht über Monemvasia darstellte. Direkt über dem Tor sieht man eine große Schießscharte, von der aus die Angreifer frontal mit einer Kanone beschossen werden konnten. Über der Torverblendung, links von der Turmüberkragung, sind noch Reste türkischen Mauerputzes zu sehen, der durch die kleinen Tonstückchen zu erkennen ist, die in ihn eingelassen sind. Große Teile der Mauer zwischen Haupttor und Meer lassen einen hastigen und darum weniger sorgfältigen und unverzierten Wiederaufbau erkennen.
Etwas links oberhalb des Stadttores ragt ein direkt auf den Felsen gebauter kleiner Turm hervor, der wegen seiner exponierten Lage einen guten Überblick über die gesamte Außenseite der Mauer ermöglichte. Auch von den Bastionen oben am Steilabfall und unten in der Südwestecke am Meer her ließ sich die gesamte Länge der Mauer verteidigen, so dass zu Recht von einer klug durchdachten und komplizierten Anlage der Westmauer gesprochen werden kann.
Die Türöffnung des Stadttores wird von einem breiten, aus Porosblöcken gefügten und nach oben halbrund abschließenden Bogen eingefasst, der die Verblendung des Tores gliedert. Die alten Torflügel befinden sich noch immer an ihrer ursprünglichen Stelle, auch wenn sie heute nicht mehr, wie noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts, jeden Abend geschlossen werden. Es sind dicke, mit Eisenplatten gesicherte Bohlen, die zudem noch mit großen, geschmiedeten Nägeln verstärkt sind. Die Einschläge von Kugeln haben die Platten an vielen Stellen durchlöchert. Einige der Kugeln sind sogar noch im Holz zu erkennen.
Hinter den Türflügeln beginnt dann die enge, rechtwinklig abgeknickte Passage durch die an dieser Stelle besonders dicke Mauer. Die Passage ist von einem Tonnengewölbe gedeckt und mit Sitzbänken versehen. Eine kleine Öffnung auf der linken Seite diente vielleicht der Aufnahme einer heiligen Ikone. Die dicken Wände des Durchgangs lassen die aus der Helle des Sonnenlichtes Kommenden die Dunkelheit und Kühle deutlich fühlen. Nach wenigen Schritten aber steht man dann wieder im vollen Tageslicht auf einem kleinen, gleichwohl schon den Charakter eines Platzes tragenden freien Raum.
Geradeaus blickt man in die Hauptstraße von Monemvasia. Halbrechts führt ein von einem Bogen mit darübergebautem Wohnhaus überwölbter Weg in die westlichen Bereiche der Stadt hinunter. Nach links führt ein Weg, ebenfalls unter einem Bogen hindurch, auf die Mauer über dem Stadttor hinauf.
